Aus: "600 Jahrfeier St. Gertrudis-Pfarre", Festschrift von 1950 (zurück)

600 Jahre St. Gertrudis, eine Chronik

Aus alten Quellen

Wenn in diesen Oktobertagen anno domini 1950 die Pfarrgemeinde St. Gertrudis auf ein sechshundertjähriges Bestehen zurückblickt, so darf sie wohl mit Recht stolz auf ein solches Erleben sein. Ein gewichtig Stück kirchlicher und heimatstädtischer Geschichte, mehr als ein halbes Jahrtausend umfassend, liegt nunmehr hinter ihr. -

Einst lag zwischen den Ausläufern der bergischen Höhen und dem glitzernden Band des ungebändigt dahinströmenden Rheines von Benrode, (dem heutigen Benrath) bis hinter Kalkum-Duisburg reichend, wegearmes, sumpfiges Waldland; Einöde, die kaum jemals eines Fremden Fuß betrat. Nördlich, südlich davon, in Bonn, in Köln, in Xanten, hatten sich die Eingesessenen schon längst dem neuen christlichen Glauben zugewandt, und auf der ehemaligen Rheininsel Kaiserswerth wirkte Suitbertus mit seinen Mönchen furchtlos, gottesfürchtig zum Segen des Landes. Ihm, dem heiligen Suitbert, ist die Gründung der St. Martinskirche um das Jahr 700 zu Bilk zu verdanken. Durch seine unermüdliche Tatkraft entstanden mittel-, oder unmittelbar die alten Pfarrkirchen zu Velbert, Ratingen, Rath, Kalkum, Himmelgeist, Wülfrath, Gruiten, um nur einige hier zu nennen. Ehrwürdigeren Alters noch sind die Gotteshäuser zu Hilden, (650) und Richrath. Jünger ist das adelige Nonnenstift St. Hyppolit, zu dessen Errichtung der bergische Ritter Gerricus im Jahre 870 den ersten Stein legte. -

Die christlich gewordenen Ellerer mußten von ihrer Gemarkung einen weiten, beschwerlichen Weg zurücklegen, wenn sie ihrer Christenpflicht genügen wollten, um in der St. Martinuskirche im Bilkerbusch, oder im Gerresheimer Nonnenstift auf den Hardter Höhen, das heilige Meßopfer mit dem Priester feiern zu können. - So blieb es durch die folgenden Jahrhunderte, bis 1350 der Herr der Wasserburg, der Ritter Rutger von Elnere, nach dem die Rutgerstraße benannt ist, eine Kapelle in seiner Burg errichten ließ und diese der heiligen Gertrudis weihte.-

Der erste Kapellenbau

Ja, das Jahr 1350 brachte die Geburtsstunde des Kirchspiels. Die Burg und um sie wenige kleine Hütten, das bildete den Anfang der heutigen großen Gemeinde. Wenn der Schloßvikar für den Burgherrn und seine Familie das heilige Opfer darbrachte, nahmen hieran auch die Hörigen, Soldknechte, Taglöhner, die eben die Gemeinde bildeten, teil. Forschen wir weiter in den uns überkommenen Urkunden und Pergamenten, dann lesen wir, daß infolge dauernder Erbteilungen das einst am ganzen Niederrhein so angesehene Geschlecht derer von Elnere seinen Glanz und Reichtum eingebüßt hatte.

Ruhmreiche Vertreter dieses edlen Stammes waren: Ritter Gumpert von Elnere, der um das Jahr 1115 als Waldgraf hier hauste. Nach ihm ist die Gumbertstraße benannt. Ein Dietrich von Elnere lebte auf der Wasserburg um 1275; er war Patronatsherr der St. Liebfrauenkirche in Düsseldorf; es ist die heutige St. Lambertuskirche. Nach diesem Dietrich ist die Dietrichstraße benennt. 1288 lebte hier ein Ludowik von Elnere, der sich in der Schlacht bei Worringen hervortat. Nach ihm ist die Ludwigstraße benannt. Dann weiter: Conrad, er wurde Schultheiß zu Gerresheim und 1348 zum Abteirichter ernannt. In gleicher Eigenschaft wirkte er auch später in Linz am Rhein. Hier hatte er die Verwaltung der klösterlichen Weinberge. Sein Andenken hält die Konradstraße wach.

Die zweite Kapelle

Der auf Burg Eller wohnende Lehnsherr, Ritter Adolf Quade, errichtete im Jahre 1469 eine zweite, größere Kapelle in der Vorburg. Er starb im selben Jahr und bestimmte in seinem Testament, daß in dem von ihm errichteten neuen Gotteshaus auch ein Altar zu Ehren des heiligen Nikolaus und des heiligen Hubertus errichtet wurde. Auch in der heutigen Gertrudiskirche sind St. Nikolaus und St. Hubert, Nebenfiguren des St. Josefsaltares. Wohl auf Grund des Testamentes des Ritters Quade hat man diese Heiligenfiguren dem St. Josefsaltar beigefügt. - Die Figuren selbst stammen nicht aus der zweiten Kapelle. Es handelt sich hier um Schnitzwerke neuerer Zeit.

330 Jahre bestand diese zweite Kapelle. Im Jahre 1827 wurde dann

Das dritte Gotteshaus

von Pastor Christian Neuhaus inmitten der Gemeinde Eller errichtet. Achthundert Bewohner zählte damals die Gemeinde. In romanischem Stil erbaut, lag es als ein Bild des Friedens in der stillen, von Obst und Gemüsegärten geformten Landschaft mit ihren wahllos verstreuten kleinen Häuschen da. Geschlechter kamen, Geschlechter gingen dahin. - All den frommen Bürgern von Eller, Bauern, Gärtnern, Waldarbeitern, Torfstechern, Handwerkern, Schloßangestellten, kleinen Händlern aber war das Kirchlein eine glückliche, Trost und Erquickung spendende Stätte. Leider ist dieses Gotteshaus längst auch der Spitzhacke verfallen. Am Hause Gumbertstraße 185 sagt uns eine Erinnerungstafel, daß hier bis zum Jahre 1901 die dritte Kirche stand. Wie oft mag an diesem Kirchlein die kränkelnde Schloßherrin, Prinzessin Wilhelmine Louise von Anhalt-Bernburg, (nach ihr sind die Anhalter und Bernburger Straße benannt) die Gemahlin des Prinzen Friedrich von Preußen, hier vorüber gegangen sein. Als aber am 18.3.1901 in dieser Kirche das letzte heilige Meßopfer gefeiert wurde, war der nachfolgende Schloßbesitzer, der Gelsenkirchener Kaufmann Vohwinkel (nach ihm ist die Vohwinkelallee benannt), ein halbes Jahr tot. -

Das dritte Gotteshaus von 1827

 

Die vierte, die heutige Pfarrkirche

wuchs am Gertrudisplatz, der nach ihr benannt wurde, auf freiem Felde stehend hoch. Sie wurde feierlich am Festtage ihrer Patronin, am 17. März 1901, durch den damaligen Kölner Weihbischof (den nachmaligen Erzbischof und Kardinal) Dr. Antonius Fischer neugeweiht. Wie schon vorerwähnt, fand am 18. März die letzte Messe in der alten, der dritten Kirche Ellers statt. - Dreitausend Mitglieder nannte die größer, stattlicher gewordene Gemeinde ihr eigen. -

Es kam der zweite Weltkrieg. In unzähligen Nächten prasselten Feuer, Schwefel, Eisen, Phosphor vom Himmel. - In einer dieser Satansnächte wurde auch das Gotteshaus aufs schwerste getroffen. Von einer Phosphorladung getroffen, brach der obere Teil des Turmes zusammen, stürzte auf's Dach der Kirche, dieses durchschlagend. - Wohl war das Heiligtum schwer angeschlagen, doch die Patronin schützte es vor gänzlichem Untergang. Heute hat die Pfarrkirche die schlimmste Zeit überstanden, und nicht lange mehr wird es dauern und sie steht in neuer Schönheit da. Gerade aber heute in dieser Feierstunde müssen und wollen wir uns der großen Patronin dankbar erinnern, die im Jahre 626 als Tochter des ostfränkischen Hausmeisters Pipin von Landen in Nivelles bei Brüssel geboren wurde, in das von ihrer frommen Mutter Iduberga ebendort gegründete Kloster eintrat, und darin als erste Äbtissin von Nivelles erst 38jährig nach einem Gott wohlgefälligen Leben am 17. März 664 verschied.

Erhebung des Kirchspiels 1624 zur selbständigen Pfarre

Vertiefen wir uns in die vergilbten Chroniken, so lesen wir, daß 1624 die Ellerer Gemeinde mit dem Gerresheimer Stift verhandelte, um hier eine selbständige Pfarrei zu gründen, deren erster Priester Reiner Busch gewesen ist, den die Gerresheimer Äbtissin, Maria Sophia von Spiess, in sein neues Amt einführte. Ihm folgte Peter Bloen. Es scheint aber noch bis 1672 gedauert zu haben, ehe alle Wünsche der Ellerer in Erfüllung gingen. Bis der damalige Schloßherr, Werner von Harff (nach ihm ist die Harffstraße benannt), im gleichen Jahre Peter Bracht als Pfarrer unter seine Patronatsrechte nahm. Nach Brachts Tode wirkten die Franziskaner-Patres der Düsseldorfer Maxkirche in der hiesigen Seelsorge.

Es seien nunmehr lückenlos die Pfarrer aufgezählt, die von jener Zeit an bis heute, da längst die Zahl der Gläubigen die fünfstellige Ziffer überschritt (heute umfaßt die Gemeinde die Zahl von 11 000 Seelen), hier nacheinander ihres Amtes walteten und walten.

Namen der Pfarrer von 1770 bis 1950

1770-1780 Pastor Peter Niessen

1780-1814 Pastor Heinrich Rieger

1814-1817 Pastor Josef Eisermann

1817-1862 Pastor Christian Neuhaus

1862-1890 Pastor Josef Gruben

1890-1898 Pastor Carl Esser

1898-1921 Pastor Dechant Winand Selbach

1921-1929 Pastor Oskar Tillmann

1929-1937 Pastor Karl Baums

ab 1937 Pastor Richard Ludewig

Die Friedhöfe der Pfarre

Vier Kirchen wuchsen innerhalb sechshundert Jahren, eine nach der anderen, eine geräumiger als die vorhergehende, hier auf. -

Vier Friedhöfe lösten sich gleichermaßen nacheinander ab. -

Einst brachten die Ellerer, die gemeindemäßig zu Gerresheim gehörten, ihre Toten dorthin zur letzten Ruhe. Es war ein beschwerlicher Weg, namentlich zur Winterszeit, bei Schneeschmelze, Uberschwemmungen für die Leidtragenden; denn es ging durch Sumpfland. - Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts war das so. - Der erste Ellerer Friedhof befand sich innerhalb der Burg. - Erleichtert werden die Ellerer aufgeatmet haben, als ihnen Kurfürst Carl Theodor die Errichtung eines eigenen, es war der

zweite Friedhof

jenseits des Burggrabens in nächster Nähe der Schloßkapelle 1775 ermöglichte. Der Gottesacker lag da, wo heute sich das Jägerhaus befindet. Kein Kreuz, kein mahnendes Zeichen erinnert das heutige Geschlecht daran, daß seine Vorfahren hier ruhen.

Der dritte Friedhof

Als die dritte Gertrudiskirche aufwuchs, schuf man in ihrer Nähe (Kirche und Friedhof gehören zusammen) an der Eller Kirchstraße einen dritten Friedhof. -Viele, die sich um Kirche und Gemeinde einen Namen gemacht hatten, fanden hier ihre letzte Ruhestätte. Auch dieser Friedhof existiert nicht mehr. Die Stadtverwaltung hat ihn in eine Gartenanlage mit Spielplatz umgewandelt. - Die heutige Zeit ist pietätlos. Es wäre eine Angelegenheit der Heimatvereine, an den Stellen, wo die Friedhöfe einst lagen, Gedenksteine, Kreuze oder Gedenktafeln zu errichten.

Der vierte Friedhof auf dem Werstener Feld

Als der jetzige Kirchenbau um die Jahrhundertwende an dem nach ihm benannten Gertrudisplatz kühn und stolz aufwärts strebte, da brauchte Eller auch einen neuzeitlichen größeren Friedhof, den vierten, der auf dem Werstener Feld alle die aufnahm und aufnimmt, die ihr irdisches Tun vollendeten. Neben den Eingesessenen ruhen im Schatten des hochragenden Kreuzes auch die Gefallenen des letzten Krieges, soweit sie hier starben und zum Kirchspiel gehörten, ruhen auch die, die durch Bombenhagel oder Artilleriebeschuß unschuldige Opfer des wahnsinnigsten Krieges wurden. Auch die Überreste von zehn Priestern, die hier amtierten, darunter die letzten fünf Pfarrer, die in unserer vordem so geruhsamen, von betriebsamem Fleiß erfüllten engeren Heimat zwischen 1817 und 1937 so segensreich gewirkt haben. -

600 Jahre St.-Gertrudis-Kirchspiel zu Eller! - Ja, die wilden Stürme der Zeit brausten auch über diese Christengemeinde zu Seiten des trutzigen Burgfrieds hinweg. Bitterböse schwere, aber auch gute schöne Stunden wechselten in bunter Folge. Aber in aufrichtiger Liebe zur heimatlichen Scholle stehen noch heute Gläubige und Priester in engster Verbundenheit in getreuem Glauben an ihren Herrn und Gott zusammen. Möge es fürderhin so bleiben. Möge St. Gertrudis, die Patronin, der Kirche und Gemeinde weiter Schutz und Schirm sein.

Dr. Rudolf Weber