Die Rettungsaktion von St. Gertrud (zurück)

Im Jahre 1901 wurde das heutige Gotteshaus St. Gertrud gebaut. Das Dach und der Turmhelm fielen im August 1943 einem Brandbombenangriff zum Opfer. Hierbei stürzte der Turmhelm brennend durch zwei Gewölbejoche in das Innere der Kirche. In den folgenden Jahren erfolgte phasenweise die Erneuerung des Gewölbes und des Kirchturms. Später, 1970 - 1972, wurde zur Absicherung des Gewölbes in die Kirche ein Gerüst eingezogen und darunter Gottesdienst gehalten. Nach einer Restaurierung wurde dann die Pfarrkirche am 22.Nov. 1975 ohne Gerüste wieder für den Gottesdienst freigegeben. Immer wieder, wenn nach einer Restaurierung an der Decke oder anderswo Risse auftraten, dachte man an "Folgeschäden" der Brandbombennacht. Jahrelang beobachteten Fachleute die Rissbildung im Gewölbe und an den Wänden. Exact durchgeführte Messungen über mehrere Jahre ließen nunmehr erkennen, daß z. B. verschiedene Säulen unterschiedliche Bewegungswerte zeigten. Da sich der Prozeß in den letzten Jahren beschleunigte, konnte die Verantwortung, in der Kirche weiterhin Gottesdienst zu feiern, von den Fachleuten nicht mehr getragen werden.

Am 18.10.1995 wurde die Pfarrkirche St. Gertrud wegen dringender Sanierungsarbeiten geschlossen. Gott sei Dank konnten wir mit allen Gottesdiensten nach St. Hedwig ausweichen. Unter der Leitung des Architekten Paul Maier-Lamers wurde zunächst die Gründungssanierung durchgeführt. Als Spezialist konnte die Firma Keller aus Bochum gewonnen werden. Bohrungen in der Kirche an den Säulen und an den Mauerfundamenten gaben Aufschluß über die Beschaffenheit der Bodenschicht. Hierbei zeigte sich, daß der Rhein, der in früheren Zeiten einige tausend Jahre durch unser heutiges Wohngebiet geflossen ist, unterschiedliches Material, auch organisches, abgelagert hat. Diese organischen Schichten im Erdreich tragen ein so großes Bauwerk ohne besondere Fundamentierung auf die Dauer nicht. Deshalb wurde der Raum unter der jetzigen Fundamentsohle um ca. 2,50 m zur Verfestigung mit Spezialzement verfüllt. Insgesamt wurden in der Kirche um Säulen sowie im Turmbereich und an den Außenwänden 294 Bohrungen mit anschließender Verfüllung notwendig. Die Spezialisten haben insgesamt 757 cbm Spezialzement mit ihrem Maschinenpark eingebracht. Sie schafften die Arbeiten in 79 Arbeitstagen.

Während der 1. Bauphase, und nach Abschluß der Gründungsarbeiten, fanden weitere Messungen am Bauprojekt statt. Der Statiker war mit den Meßergebnissen zufrieden. Nach diesen Arbeiten wurde der gesamte Fußboden mit einer neuen Betondecke versehen. Erst danach konnte der gesamte Innenraum eingerüstet werden. Auf diesen Augenblick hatten die Kirchbauspezialisten gewartet, denn nunmehr konnten sie alle Wand- und Deckenflächen auf Schadstellen hin untersuchen. Was ein Jahr zuvor in der Kirche von unten besehen noch wie eine feine Rissbildung aussah, zeigte sich nach Entfernen des Putzes z.B. als gefährlicher Grundmauerschaden oder Gewölberiss. Viele Quadratmeter lockeren Putzes mußten entfernt werden. An Überraschungen mangelte es in der Folgezeit nicht. So stellte man z. B. fest, daß die Werksteingewände der Fenster nicht mehr überall mit dem Mauerwerk verbunden waren. Die Gefahr der Kondenzwasserbildung mußte verhindert werden. Demzufolge wurden alle beschädigten Werksteingewände der Fenster ordnungsgemäß gefaßt. Auch war es unbedingt notwendig, daß über dem gesamten Gewölbe eine den heutigen Vorschriften entsprechende Isolierung mit Glasfasermatten durchgeführt wurde.

In der Kirche waren nur wenige Deckenfelder ganz verschont geblieben. Die Handwerker mußten auf die unterschiedlichen Materialien achten, die im Laufe der Jahre bei den verschiedensten Restaurierungen verarbeitet wurden. So verhält sich eine heute aufgetragene Putzschicht z. B. gegenüber dem Farbaufnahmevermögen ganz anders, als eine danebenliegende alte Putzschicht. Dies ist besonders deshalb von Bedeutung, weil unsere Kirche ganz mit Naturfarben gestrichen und ausgemalt wurde.

Die Sanierung der Heizungsluftkanäle in der Kirche war bedingt durch die Erdbauarbeiten notwendig geworden und fand in einem Zeitraum von 4 Wochen statt.

Im April 1997 haben wir mit der Fertigstellung der Außenanlagen begonnen. Vom Amt für Denkmalschutz hatten wir die Auflage, um die Kirche wieder eine Begrünung durchzuführen. Es sollte nunmehr das Frühjahrswetter für die Bepflanzung genutzt werden. Günstig war für den Schutz der Jungpflanzen auch der Schutz des Bauzaunes.

Nach Abbau der Gerüste in der Kirche konnten die Elektriker mit der Verlegung der Rohre im Bodenbereich beginnen. Die gesamte Elektroinstallation im Gewölbebereich war schon zuvor erfolgt. Im Anschluß daran wurde der gesamte Boden der Kirche mit einem Estrich versehen.

Im Dezember 1996 entdeckten wir, daß unter dem bisherigen Fußboden in der Marienkapelle noch der alte, fast hundertjährige Fliesenboden, lag. Da dieser Boden aus Gründen des Denkmalschutzes nicht entfernt werden durfte, mußte das gesamte Fußbodenthema für den übrigen Kirchenfußboden neu durchdacht werden. Der neue Kirchenfußboden sollte mustermäßig und in den Farben dem wiederentdeckten Fußboden der Marienkapelle angepaßt werden. Ebenfalls wurden die Farben der Deckenausmalung und die Farben der Kirchenfenster miteinbezogen. Nach sechsmonatiger intensiver Arbeit erhielten wir im Juli 1997 aus dem Generalvikariat in Köln die positive Nachricht, daß der Fußboden aus den farbigen Ziegeltonplatten verlegt werden durfte. In dieser Endphase der Restauration hieß es für alle, die Nerven zu behalten. Denn die Ziegelbetonplatten in weiß und den herrlichen gelben, grauen, blauen und roten Farbtönen mußten eigens für St. Gertrud von der alten bekannten Firma NBK vom Niederrhein hergestellt werden. Von der Probebrandphase ab 20. August 1997 bis zur Fertigstellung der ersten Partie in der Fabrik am 27. Oktober 1997 brach die Spannung nicht ab. Jedes Öffnen des Brandofens wurde von uns an Ort und Stelle mit kritischen Blicken begleitet. Denn wichtig war, daß der vorgesehene Farbton auch erreicht wurde. Am 3. November konnten die Handwerker mit den Verlegearbeiten beginnen. Sie haben nicht nur nach dem Entwurf des Künstlers, Herrn Dieter Hartmann aus Köln, exact schwierigste Verlegearbeit verrichtet, sondern auch unter seiner Anleitung ständig an Ort und Stelle Verbesserungen gegenüber dem Entwurf durchgeführt. Der mosaikartig verlegte farbige Fußboden lebt aus den Überraschungen der Reichhaltigkeit der Muster. Die Gestaltung des Bodens ist für St. Gertrud ein besonderes Geschenk. Decken-, Fenster- und Bodengestaltung verwandelten St. Gertrud in ein helles, freundliches Gotteshaus.

Mit einem Festhochamt am 15. März 1998 wurde unter sehr großer Anteilnahme der Gläubigen die Kirche St. Gertrud wieder eröffnet.

Peter Wilbert